Dienstag, 4. Mai 2010

Vorgeschichte Teil 1: Wie die Idee entstand und erste Erfahrungen

Zwar war ich immer schon Frankreichfan - durch zahlreiche Campingurlaube als Kind mit meinen Eltern und einem Aufenthalt in einer französischen Familie - dennoch wäre es mir nicht einfach so in den Sinn gekommen, hier einen Campingplatz zu betreiben. Als mein Bruder Rüdiger sich Mitte der 80er Jahre mit einer eigenen Kneipe selbständig machen wollte, erklärte ihm mein Vater rundheraus: 'Wenn Du mit meiner Unterstützung rechnen willst, dann kommt nur eine Kneipe mit einem Campingplatz (möglichst in Frankreich) in Frage, alles andere ist mir zu unsicher und unsolide.' Mit Hilfe der damals einzigen auf Campingplätze spezialisierten Immobilienagentur war schnell ein Platz ausgewählt - aus einem gerade mal 2 Plätze umfassenden Angebot (Einzelheiten zu unserer eigenen Suche mehr als 10 Jahre später folgen im nächsten Teil). Eine Bürgschaft meiner Eltern bei einer deutschen Bank regelte das Finanzielle. In Frankreich ist es schwierig, einen grösseren Kredit auf einen Campingplatz zu bekommen, da das Land selbst zu billig ist, um einen ausreichenden Gegenwert als Sicherheitsleistung darzustellen, und die Geschäftsrechte sind nicht sicher genug, um beliehen werden zu können. Ausserdem wird der Rückzahlungszeitraum sehr kurz (maximal 10 Jahre) angesetzt. Die monatlichen Raten sind daher entsprechend hoch, was zum Problem werden kann, insbesondere am Anfang, wenn das Geschäft noch nicht so richtig läuft (und meist werden Plätze zum Verkauf angeboten eben weil sie nicht gut laufen) und Investitionen erforderlich sind.
Während dieser Zeit steckte ich gerade in den Abschlussprüfungen für mein Studium (Germanistik, Indologie und Sinologie) in Tübingen und hatte zunehmend das Gefühl, in der nächsten Zeit keine Bücher, Schreibtische oder enge Büros mehr sehen zu können. Die Perspektive, in der freien Natur mit entspannten Urlaubern zu arbeiten, erschien mir immer verlockender, besonders wenn meine Eltern die Zukunftspläne diskutierten oder als meine Mutter ein Bild entwarf: mit dem Strickzeug in der Hand im Sessel an der Rezeption die Gäste erwarten, in der einen Ecke ein Hundekörbchen, in der anderen ein Katzenkörbchen... Mein Angebot, nach den Prüfungen für einige Zeit mitzuarbeiten wurde gerne angenommen, auch weil meine Eltern nur wenig, Rüdiger fast gar kein Französisch sprach.
Wenn wir heute von Campern hören: 'So schön möchte ich es auch mal haben, den ganzen Tag Urlaub, ab und zu mal ein paar Gäste anmelden...', dann denke ich oft an meine ersten romantischen Vorstellungen zurück. Einen Hund haben wir schon bald bekommen, nur lag der nicht an der Anmeldung im Körbchen; das machte aber fast gar nichts, denn zum Stricken hatte ich sowieso keine Zeit. Die Schäferhündin 'Ange' (dt. 'Engel') - als Wachhund für den Campingplatz eigentlich viel zu sanft - war von Christian, einem französischen Bekannten, der sie angebunden auf einem Autobahnparkplatz gefunden hatte. Sie hatte die unangenehme Angewohnheit, vor allem nachts auf Streifzüge zu gehen und war ausserdem 'Schuhfetischistin'. Nachdem Christian eine grosse Sammlung einzelner Schuhe und Ärger mit sämtlichen Nachbarn hatte, überliess er sie uns. An eine Katze - die übrigens auch nicht im Körbchen schlief - kam ich durch einen Spaziergang mit einem Gästehund. Als ich mit dem Cockerspaniel an einem einsam gelegenen kleinen Hauses vorbeiging, rannte er plötzlich hinter einem freilaufenden Huhn her und ich hinter beiden, in Sorge um das Leben des Huhns. Dieses hätte wohl auch ohne mein Eingreifen überlebt; den eigentlichen Schaden habe ich angerichtet, denn die Jagd ging quer durch das Salatbeet. Der Bewohner sah genau so aus, wie man sich einen Einsiedler vorstellt, mit wildem Vollbart; meine Eltern sprachen später von ihm nur noch als dem 'Waldschrat', seinen wirklichen Namen habe ich vergessen. Er war sehr nett und lud mich gleich zu sich ein. Mit einigen Schwierigkeiten trieb er zwei saubere Gläser auf, der Korkenzieher fand sich nach längerem Suchen im Kühlschrank. Auch er hatte einen Hund 'Marquise' genannt (der Cockerspaniel hiess übrigens 'Princess' und sein Besitzer Jaques war ein wohnungsloser Rentner, der das ganze Jahr über im Wohnwagen lebte und genauso wenig Bezug zur Adelswelt mit Prinzessinnen und Herzoginnen hatte wie der 'Waldschrat' - Wunschdenken?). Ein schmutzig-grauer Kater hiess 'Blanco' zur Erinnerung daran dass sein Fell einmal weiss war, bevor er sich den Kamin als Lieblingsplatz auserwählt hatte. Es gab noch eine trächtige Katze 'Misere'; aus diesem Wurf stammte das - von mir vergleichsweise phantasielos 'Emma' getaufte - Kätzchen. Über den 'Waldschrat' erzählte man sich in der Gegend, er sei so tierlieb, dass er es nicht über sich brachte, ein zum Mästen angeschafftes Schwein zu schlachten. Stattdessen lebte es mit ihm und den übrigen Tieren im Haus. Während einer Abwesenheit des Hausherren haben es nun Schwein und Hund mit vereinten Kräften irgendwie (vielleicht nach dem Vorbild der Bremer Stadtmusikanten?) geschafft, die von der Decke baumelnden Würste und Schinken herunterzuziehen und machten sich dann darüber her.
Spaziergänge wie dieser blieben allerdings eher eine Ausnahme, denn es gab sehr viel zu tun. Die Waschräume waren in einem desolaten Zustand und hoffnungslos veraltet. Die 'Wirtschaftsräume', aus denen einmal eine gemütliche Kneipe werden sollte, waren eher eine Baracke, ein Bretterverschlag, die Ritzen mit Zeitungspapier ausgestopft. Die 'schattenlose Wiese' (Zitat Campingführer) musste bepflanzt und eine Platzeinteilung erstellt werden. Mit dem Näherkommen der Saison fiel auch immer mehr Arbeit in der Küche an. Zum Schälen der Kartoffeln für die Pommes Frites gab es übrigens eine Rüttelmaschine mit Innenwänden rauh wie Schmirgelpapier - mein Vater sagte, genau dasselbe Gerät habe er schon als Kriegsgefangener während des zweiten Weltkriegs in der Lagerküche benutzt. Die Arbeit in der Küche endete selten vor halb zwölf Uhr, danach nahm ich meistens ein mitternächtliches Bad im kleinen See und sah mir dann noch ein oder zwei Folgen alter amerikanischer Serien (z.B. Flamingo Road oder Jessica Fletcher) auf Französisch an, die im 5. Fernsehprogramm zu so später Stunde in einer einer Endlosschleife wiederholt wurden. Morgens früh ging es dann weiter mit Frühstücksvorbereitungen...

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