Sonntag, 30. Mai 2010

Donnerstag, 27. Mai 2010

Suche 2 - endlich gefunden

Die Idee, aus einem Stück Land - z.B. mit einem ehemaligen Bauernhof - einen Campingplatz selbst aufzubauen, gefiel uns immer besser, bestärkt durch die eher ernüchternden Erfahrungen auf unserer bisherigen Suche. Auf diese Weise bekämen wir für unser doch recht limitiertes Budget einen reellen Gegenwert an Land und Gebäuden, ohne für Geschäftsrechte und spekulativ zu erwartende Einnahmen mitbezahlen zu müssen. Auf der anderen Seite erfordert ein solches Projekt auch sehr viel mehr Arbeit und Investitionen; und wenn der Platz dann einmal fertig ist dauert es auch noch ein paar Jahre der Anlaufzeit, bis er bekannt genug ist und so viele Gäste kommen, dass die Einnahmen für den Lebensunterhalt reichen. Wir beschlossen, wenigstens einmal zu testen, ob es wirklich so schwer sein würde, eine Campinggenehmigung zu bekommen.
Die Auswahl an entsprechenden Grundstücken war viel grösser, ganze Kataloge mit Anzeigen gibt es in Tabakläden oder der Presseabteilung im Supermarkt. Wir suchten nach einem grossen Grundstück möglichst mit Haus und guter Verkehrsanbindung, nicht zu weit entfernt von den grossen Touristenrouten in einer ansprechenden, möglichst touristisch interessanten Gegend. Auch hier haben wir manchen Reinfall erlebt. Ein sehr vielversprechend klingendes Angebot: 12 Hektar Land mit einem 3-stöckigen Gebäude stellte sich beispielsweise als völlig überwucherte Wildnis heraus. Das Haus sah von aussen noch ganz passabel aus, aber als uns der Makler aufschloss, konnten wir durch die halb eingestürzten Zwischendecken und das Dach direkt in den Himmel sehen...
Schliesslich fanden wir dann doch noch unser Traumgrundstück, in der Nähe von Mont-de-Marsan, in einer schönen Gegend mit angenehm milden Klima. Es war eine gepflegte Anlage mit grossem Garten und noch grösserer Obstwiese. Das alte Haus mit 1/2 m dicken Mauern war in gutem Zustand und verfügte über 2 grosse Küchen, ideal für einen Restaurantbetrieb. Ausserdem gab es noch einen Pferdestall, einen Stall für die Mastenten und ein Schlachthaus. Die Besitzer, ein älteres Ehepaar, suchten nach einer Wohnung in der Stadt, da ihnen die Arbeit auf dem grossen Grundstück langsam zu schwer wurde. Auf unserer obligatorischen Ämterrunde erfuhren wir nichts Nachteiliges für unser Projekt, auf grosse Begeisterung stiessen wir jedoch auch nicht gerade, denn in der nächstgrösseren Stadt gab es bereits einen Campingplatz, der gerade dabei war, zu expandieren. Der Bürgermeister des kleinen Dörfchens dagegen schien von unserer Idee ganz angetan. Wir unterzeichneten einen Vorvertrag mit Zusatzklausel - d.h. unter der Voraussetzung, dass unser Antrag auf einen Camping 'à la ferme' (Bauerncamping) genehmigt würde. Für die Landvermessung mussten wir noch einen 'Geometer' bestellen und dann den Antrag einreichen. Ein mögliches Hindernis für unser Vorhaben könne der für einen grösseren Betrieb eventuell zu geringe Rohrquerschnitt der örtlichen Wasserversorgung sein, sagte man uns. Wo wir auch hinkamen, überall faszinierte besonders unser kleiner Sohn Heiko mit seinem niedlichen Gesicht und seinen grossen Augen, man sagte ihm eine grosse Karriere als 'Frauenschwarm' voraus. Mittlerweile ist er schon vierzehn, interessiert sich aber noch nicht besonders fürs andere Geschlecht - ich bin gespannt, was da noch auf uns zukommt.
Es folgten lange Wochen des Wartens in denen wir, inzwischen wieder in Deutschland, eifrig Pläne schmiedeten; mein Vater baute auf dem Reissbrett den ehemaligen Pferdestall in Gästezimmer um. Um so grösser war die Enttäuschung, als schliesslich die Absage kam. Der Wasserrohrquerschnitt hätte wohl ausgereicht, die Begründung lautete: die vielen Camper, die ständig von der nahegelegenen Hauptverkehrsstrasse abzweigen bzw. umgekehrt darauf einscheren würden, stellten ein zu grosses Hindernis für den optimalen Verkehrsfluss dar. Angesichts der Tatsache, dass der bereits bestehende Campingplatz von derselben Strasse mit Campern versorgt wurde und seine Expandierungspläne den Verkehrsfluss offensichtlich nicht beeinträchtigten, mussten wir doch zugeben, dass Monsieur B.s Behauptung zutreffend war, aus Konkurrenzfähigkeitsgründen würden die Campingzulassungen begrenzt. Wir hätten nun natürlich noch die Möglichkeit gehabt, nach einem Grundstück in einer Gegend zu suchen, in der es noch keinen Campingplatz gab. Aber würde es uns gelingen, genügend Camper in eine 'touristisch noch nicht erschlossene' Gegend zu locken? Wir beschlossen, stattdessen unsere ursprüngliche Suche wieder aufzunehmen - diesmal aber im Landesinneren, wo die Immobilienpreise viel niedriger lagen und damit die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein günstiges Angebot sich nicht als 'faules Ei' entpuppt.
Vorsicht ist aber auch hier geboten, z.B. wenn die Formulierung 'zu redynamisieren' verwendet wird. Einen so beschriebenen Platz haben wir auf Anhieb gar nicht gefunden; er war wohl schon seit einiger Zeit geschlossen und entsprechend verwildert. Um daraus einen funktionierenden Betrieb zu machen, wäre schon sehr viel Dynamik nötig gewesen.
Mit der Zeit hatten wir dann aber doch einige Angebote in der engeren Auswahl. Darunter war ein Campingplatz in einer kleinen Industriestadt etwa 200 km südlich von Paris. Durch die vielen Enttäuschungen hatten wir von unserer Wunschvorstellung ja schon einige Abstriche gemacht, aber die Gegend gefiel mir gar nicht. Alles schien irgendwie grau und düster. Beim Anblick einer Gruppe Fussball spielenender Jungen wirkte die Vorstellung, vielleicht schon bald unsere Kinder hier mit herumtoben zu sehen, eher bedrückend auf mich. Vielleicht drückte ja auch der enorme Schuldenberg mit auf meine Stimmung den wir uns bei einer Entscheidung für diesen Platz aufgeladen hätten. Die Bilanzen sahen sehr gut aus - und der Kaufpreis spiegelte das wider. Um diese Summe aufbringen zu können hätten wir zusätzlich zu dem von meinen Eltern vermittelten Kredit auch noch den Platz beleihen müssen. Wider Erwarten - und gegen meine stille Hoffnung - wurde dies von der örtlichen Bank bewilligt. Ansonsten sprach sehr vieles für den Platz. Der Besitzer, offensichtlich ein passionierter Bastler, hatte alle Stellplätze mit individuellen Strom- und Wasseranschlüssen ausgestattet; dadurch erhielt er die Einstufung in die Kategorie 'grand confort caravane'. Die Stromkabel liefen im Haus allerdings in einem grossen Kabelsalat völlig ohne jede Beschriftung zusammen, so dass ich zweifelte, ob wir uns je darin zurechtfinden würden. Der Sanitär war sehr verschachtelt, ein älterer Teil war umbaut und an einigen Stellen erweitert worden. Die usprünglichen Aussenmauern und Zwischenwände endeten in der Luft und waren mit Plastikblumen geschmückt.
Die wenigen anwesenden Gäste - es war immerhin schon Anfang Juli - sollten auf keinen Fall erfahren, dass der Platz verkauft wurde. Es waren in der Hauptsache Dauer- bzw. Wochenendcamper aus Paris. Da der Besitzer selbst auch aus Paris kam, drängte sich uns die Befürchtung auf, dass es sich hier in erster Linie um Bekannte und Verwandte handelte, die sich bei einem Besitzerwechsel wohl doch lieber nach einen näher gelegenen Platz umsehen würden.
Die Dame vom zuständigen DDE fragte uns ob wir den Sanitärumbau schön fänden. Sie wurde nicht konkret, aber zwischen den Zeilen konnten wir deutlich heraushören: die Umbauten entsprachen nicht den Normen, man drückte noch ein Auge zu, da der jetzige Besitzer schon älter und zudem krank war, ein neuer Eigentümer könne aber nicht auf dieselbe Milde hoffen...Ich habe den Platz neulich 'gegoogelt'; er hat inzwischen alle seine Sterne verloren und bemüht sich um eine 'Reklassifizierung'.
Dieses Angebot wurde wegen der guten Bilanzen von meinen Eltern eindeutig favorisiert, während wir eher zu einem Platz in der Nähe von Rocamadur - berühmt für seine Felsenkirche - tendierten. Zur Besichtigung fuhren wir, wie meistens, mit den Kindern und dem Wohnwagen; so konnten wir auf den langen Strecken immer wieder Zwischenstopps einlegen und hauptsächlich dann fahren, wenn die Kinder schliefen. Auf diese Weise gelangten wir erst so spät an unser Ziel, dass wir kaum noch auf einen offenen Campingplatz hoffen konnten. Also richteten wir uns auf einem Autobahnparkplatz für ein paar Stunden Schlaf ein. Ausser uns gab es hier nur noch einen Pkw, dessen Fahrer telefonierte. Als Norbert kurz darauf zum Auto ging, bemerkte er, dass plötzlich aus der Dunkelheit weitere Fahrzeuge auftauchten, die offensichtlich zu dem bereits hier geparkten Wagen gehörten. Mit einem ganz mulmigen Gefühl kurbelte er schnell die Stützen wieder hoch und wir fuhren los - die anderen Autos hinter uns her, über eine Stunde lang. Endlich gaben sie wohl ihre Hoffnung auf, wir könnten wieder anhalten und ihnen beim Übernachten ein leichtes Ziel abgeben und wir waren allein auf der Strasse. Vorsichtshalber fuhren wir noch ein Stückchen weiter, bevor wir, erschöpft und erleichtert, aber immer noch nicht ganz beruhigt unser 'Nachtlager' aufschlugen. Am nächsten Morgen sahen wir dann, dass wir auf eine ganz kleine Strasse geraten waren, überhängende Felsen ragten bis weit in die Fahrbahn. Die Strecke war für Wohnwagen gesperrt und bei Tageslicht wären wir auch ohne Verbotsschild wohl auch nie auf die Idee gekommen, hier entlang zu fahren...
Der zu besichtigende Campingplatz war nicht gerade ein Schnäppchen, was das Verhältnis der Einnahmen zum verlangten Preis betraf. Er war sehr klein, aber 'ausbaufähig', d.h. verfügte über ein angrenzendes Stück Land - allerdings noch ganz ohne Bepflanzung, Platzeinteilung und Sanitäranlagen. Die bestehenden Toiletten und Waschräume waren ins Wohnhaus integriert und lagen (was mich nicht so sehr begeisterte) direkt unter den Schlafzimmern. Man konnte sie daher nicht so einfach erweitern, ausserdem wäre der Weg für die Camper auf dem neuen Stück doch etwas weit. Ansonsten war der Platz schön, verfügte sogar über ein Schwimmbecken und eine Minigolfanlage.
Als wir noch unentschlossen und einigermassen desillusioniert abwogen, welcher Platz wohl das kleinere Übel darstellte, flatterte uns überraschend noch eine neue Angebotsliste mit Plätzen aus der Auvergne ins Haus. Das am Besten klingende Angebot allerdings war schon als 'verkauft' markiert. Unsere 'zweite Wahl' stand direkt darüber. Als ich jedoch in der Agentur anrief, hiess es: 'Nein, der Platz ist verkauft.''Was, der auch', rief ich enttäuscht. 'Wieso auch, das ist der einzige verkaufte Platz in der Liste...' Vielleicht zu unserem Glück war der falsche Platz markiert worden und daher hatte sich sonst niemand für dieses äusserst günstige Angebot interessiert. Mit der Adresse in der Tasche packten wir die Kinder ins Auto und fuhren noch am selben Abend los, diesmal ohne Wohnwagen. Mit dem Platzbesitzer hatten wir für den nächsten Tag einen Besichtigungstermin ausgemacht, aber bis dahin konnten wir unsere Neugierde nicht zurückhalten. Wir parkten das Auto mit den schlafenden Kindern am Eingang und begaben uns nacheinander vorsichtig auf eine nächtliche Erkundungstour - soweit wir uns hineintrauten, irgendwo bellte ein Hund.

Sonntag, 23. Mai 2010

Suche

Wer in Frankreich einen Campingplatz sucht, der zum Verkauf steht, hat heutzutage die Auswahl unter zahlreichen Immobolienagenturen, die sich ganz oder teilweise auf Camping spezialisiert haben. Deren Adressen findet man im Internet oder - wie wir damals - in Kleinanzeigen am Ende von Fachzeitschriften, wie z.B. L'OT (L'OFFICIEL DES TERRAINS DE CAMPING) oder Décisions. Da die meisten Campingplatzbesitzer diese abonnieren, kann man einfach mal im Urlaub danach fragen, um sich einen Eindruck vom Angebot und den Preisen zu verschaffen. In diesen Zeitschriften findet man auch sehr nützliche Informationen zum Campingwesen, gesetzliche Regelungen und Vorschriften, oder - gerade besonders aktuell - die Umgestaltung des derzeitigen Normensystems für die Sternevergabe. Wir hatten die L'OT nach Deutschland abonniert. Für die Suche selbst sollte man sich dann aber direkt von der Agentur eine Angebotsliste holen, denn bis die Anzeigen geschaltet werden, sind die 'Rosinen' meist schon vor Ort rausgepickt worden.
Wir haben uns für unsere Suche Zeit gelassen; immer, wenn wir uns für ein paar Tage freimachen konnten, ging es nach Frankreich. Monsieur B. aus Vias hatte leider nur 2 Angebote, die für uns finanziell in Betracht kamen. Das erste war ein kleiner Platz, direkt am Mittelmeer gelegen - vielleicht etwas zu direkt. Der Preis lag schon fast über unserer Schmerzgrenze und es mussten auch noch Schulden mit übernommen werden. Obwohl die Saison schon längst vorbei war, stieg uns von allen Büschen und Bäumen her ein unverkennbarer Uringeruch in die Nase; trotz der geringen Platzgrösse schien der Weg zum Sanitär wohl für einige Camper zu weit gewesen zu sein. Norbert fiel zudem auf, dass das Gelände direkt am Meer wie ganz neu angelegt aussah. Auf unsere Nachfrage erzählte uns der Pächter eines Strandrestaurants, dass die Flut im Winter regelmässig einen Teil des Platzes fortspülte, der dann wieder neu aufgeschüttet werden musste - ein erheblicher finanzieller Aufwand und darüber hinaus ein Sicherheitsrisiko. Auf älteren Fotos verfügte der Campingplatz noch über einen eigenen Strand; jetzt kam das Meer direkt bis an die Stellplätze, die durch grosse Felsbrocken und einen Zaun gesichert waren. Auf dieses Thema angesprochen, beruhigte man uns in der Immobilien-Agentur: das sei alles nicht so schlimm, ausserdem würden entlang der Küste jetzt überall Wellenbrecher errichtet, die einen solchen Schaden verhinderten. Ob dieser Massnahme angesichts der ständig steigenden Meerespegel ein dauerhafter Erfolg beschieden sein würde - das wollten wir dann doch lieber nicht austesten. Der (verhälnismässig) günstige Preis hätte uns gleich stutzig machen sollen; normalerweise wurden für Plätze in dieser Lage zweistellige Millionenbeträge (Francs, 1 € entspricht etwa 6,5 Fr) verlangt.
Besonders wenn man nur über ein sehr limitiertes Budget verfügt, muss man interessant klingende Angebote gründlich auf 'versteckte Mängel' abklopfen. Dazu empfiehlt sich auch immer ein Besuch bei den zuständigen Behörden, wie z.B. dem Bürgermeisteramt, der Präfektur und dem DDE, hier kann man beispielsweise die Akten der Campingplätze einsehen mit den Berichten über die regelmässigen behördlichen Kontrollbesuche. Ausserdem kann man sich über anstehende Bauvorhaben in der Gegend informieren. Vom Campingplatzbesitzer sollte man sich Kopien von Geschäftsberichten der letzten Jahre geben lassen, um die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben zu sehen. Diese 'offiziellen' Zahlen entsprechen nicht immer ganz der Realität; im Beherbergungs- und Gaststättenbereich deklarieren manche Betriebe bis zu einem Drittel der Einnahmen nicht. Dennoch ist bei allzu vollmundigen Beteuerungen, die wahren Umsätze seien viel höher, Skepsis angebracht. Gerade für einen kleinen Betrieb lohnen sich diese 'Schwarzeinnahmen' nur bedingt - daran sollte man als zukünftiger Platzbesitzer auch denken, wenn man versucht ist, später einmal diese Praktiken selbst zu übernehmen. Wenn man nicht alle Einnahmen deklariert, muss man auch einen Teil der Ausgaben 'schwarz' machen, da sie sonst nicht durch einen enstprechenden Gegenwert abgedeckt sind. Von diesen 'schwarzen' Ausgaben kann man natürlich auch keine Mehrwertsteuererstattung verlangen und sie ebensowenig als Geschäftsausgaben in der Bilanz einsetzen. Gemessen an dem Risiko, eine empfindliche, vielleicht sogar ruinöse Strafzahlung leisten zu müssen, falls man erwischt wird, ist der unterm Strich tatsächlich übrig bleibende Gewinn, meiner Ansicht nach, den Einsatz nicht wert. Man hat auch so schon genug zu überlegen und zu berücksichtigen, ohne sich noch mit dem Ausfeilen von geschönten Bilanzen zu belasten. Ausserdem werden die Methoden zum Aufspüren von Steuerbetrug immer mehr verfeinert. Ein Restaurantbesitzer erzählte mir, dass bei einer Kontrolle die angegebene Anzahl der von ihm servierten Gerichte mit der Anzahl der eingekauften Papierservietten abgeglichen wurde...
Von einer anderen Agentur hatten wir das Angebot für einen Platz nahe der Atlantikküste. Auch dieser Platz war relativ klein; eine langgestreckte Doppelreihe von Stellplätzen, durch einen Mittelweg getrennt, zog sich an der Strasse entlang, die weiter zum Meer führte. Einerseits verkehrsgünstig, andererseits natürlich auch laut. Der ganze Platz war mit Kastanien bepflanzt, sehr zur Begeisterung unserer Söhne Yannick und Heiko, die uns inzwischen begleiteten. Hier am Meer, wo nur während der Sommermonate Betrieb ist, ist gegen eine solche Bepflanzung nichts einzuwenden. Ansonsten trifft im Herbst das 'plopp', 'plopp'... auf dem Wohnwagen- bzw. Wohnmobildach (besonders in der Nacht) nicht jedermanns Geschmack. Dasselbe gilt übrigens auch für Nüsse, wobei man die wenigstens noch essen kann.
Bei unserer obligatorischen Ämterrunde erfuhren wir jedoch auf dem DDE, dass ein 4-spuriger Ausbau der zum Strand führenden Strasse geplant war, dem die eine Stellplatzreihe und somit die Hälfte des ohnehin schon kleinen Platzes zum Opfer fallen sollte. Auch hier beschwichtigten die Agentur und der Platzbesitzer: diese Planung bestehe schon lange; wann sie jemals und ob überhaupt realisiert würde, stehe noch in den Sternen...Wir suchten dann doch lieber weiter.
Was passieren kann, wenn die Finanzierung für den Kauf nicht gesichert ist, wurde uns vor Augen geführt, als wir einen anderen Platz im Hinterland der Atlantikküste besichtigten. Es war schnell klar, dass er für uns nicht in Frage kam aufgrund seiner sehr einsamen Lage - unsere Kinder sollten nicht so isoliert aufwachsen. Die Besitzer, ein junges Pärchen, hatten bereits sehr viel Arbeit und Geld investiert um beispielsweise ein Schwimmbad zu bauen. Der Kaufpreis für den Campingplatz sollte durch den Verkauf ihres Hauses aufgebracht werden, das sie gleichzeitig bei derselben Immobilienagentur angeboten hatten - seit nunmehr zwei Jahren ohne Erfolg. Inzwischen wuchsen ihnen die Schulden über den Kopf, und um dem völligen Ruin zu entgehen, sahen sie sich nun gezwungen, auch den Campingplatz wieder anzubieten. Es fiel ihnen sehr schwer, sich von ihrem Traum zu verabschieden, aber es ging nicht anders: welches der beiden Objekte auch immer zuerst einen Käufer fände, müsse eben verkauft werden. Ich hoffe sehr, dass es ihnen noch rechtzeitig gelungen ist.
Auf eine ganz neue Idee brachte uns das zweite Angebot von Monsieur B. aus Vias. Es war kein fertiger Campingplatz, sondern ein Grundstück mit erteilter Campingzulassung. Diese Zulassungen seien - laut Monsieur B. - schwer zu bekommen, da die Behörden bestrebt seien, die Anzahl der Campingplätze zu begrenzen, der Konkurrenzfähigkeit wegen. Aber der Bürgermeister des Ortes wolle unbedingt einen Campingplatz ansiedeln und es sei immer besonders wichtig, den Bürgermeister auf seiner Seite zu haben. Allerdings war der Preis für das einfache Stück Wiese so hoch, dass wir passen mussten, angesichts der noch zu tätigenden Investitionen und der zu überbrückenden Anlaufzeit, bis die Platzeinnahmen einmal für den Lebensunterhalt reichen würden.

Samstag, 15. Mai 2010

Vorgeschichte Teil 3: Heimaturlaub mit Liebesromanze und Beginn unserer Suche

Den Rückweg nach Deutschland trat ich in meinem ersten eigenen Auto - einem gebrauchten Fiesta - an. Dies war zudem überhaupt meine erste längere Autofahrt am Steuer und sie hat sowohl meine Fahrkünste als auch das Durchhaltevermögen des alten Autos etwas überfordert. Ich fuhr mittags in strömendem Regen los und landete in der früh einsetzenden Dunkelheit auf einer immer schmaler werdenden Strasse in immer höher liegendem Schnee irgendwo in den Bergen. Bis ich den richtigen Weg wiedergefunden hatte, war der alte Motor so überanstrengt, dass er qualmte; zum Glück gab es auf dem Autobahnparkplatz hilfsbereite Lastwagenfahrer. Die eisige Kälte in Deutschland gab ihm dann - zumindest vorerst - den Rest und er weigerte sich standhaft (im wahrsten Sinn des Wortes), anzuspringen. So liess ich den Wagen notgedrungen in Leonberg, dem Wohnort meiner Eltern, stehen und nahm wie früher den Zug nach Tübingen. Dort quartierte ich mich in meinem ehemaligen Wohnheim, dem Annette-Kade-Heim, ein. Da gerade kein Gästezimmer frei war, bot man mir als Zwischenlösung für einige Tage ein Zimmer an, das aufgrund eines Mieterwechsels momentan leer stand. Bei meinem Umzug ins Gästezimmer fragte niemand nach dem anderen Zimmerschlüssel und so behielt ich ihn kurzerhand, denn mit dem Gästezimmerschlüssel konnte man die Haustür nicht öffnen und ich hätte immer jemanden stören müssen, um ins Haus zu gelangen.
Ich tauchte wieder ins lang vermisste Studentenleben ein, und das heisst anfang Februar Faschingsfeten. Bei einer der grössten Parties in der Hauptmensa stiess ich mein Glas um, als ich auf einem der um die Tanzfläche herum aufgestellten Tische sass und mich - wegen der lauten Musik - gestikulierend mit meinem Nachbarn unterhielt. Da ich keinen Lappen zum Aufwischen auftreiben konnte, versuchte ich, andere davon abzuhalten, sich in die Pfütze zu setzen - einer davon war Norbert. 'Nein, er wolle sich nicht setzen, nur sein Glas abstellen, aber magst Du nicht tanzen?'... Als der Abend bzw. die Nacht langsam zu Ende ging, stellten wir fest, das wir denselben Heimweg hatten und nicht nur das; ich hatte auch noch seinen Zimmerschlüssel.
In der Folgezeit verliebten wir uns heftig ineinander und Norbert bot an, mich nach Fankreich zu begleiten. Ich war sehr erleichtert, dass er es übernahm, den bei den milderen Temperaturen inzwischen wieder startbereiten Wagen zu fahren. Die Sehnsucht in der darauffolgenden Trennungszeit vertiefte die Liebe noch. Als Norbert dann ende Mai (endlich) für ein paar Tage nach Frankreich kam, fuhren wir ans Meer - herrliche Tage der 'Auszeit', wir waren wie losgelöst von allem und schwebten im siebten Himmel - und kamen als Verlobte zurück. Bis zu unserer Hochzeit und meiner Rückkehr nach Deutschland dauerte es aber noch eine Weile, denn ich wollte meinen Bruder Rüdiger nicht mitten in der Saison allein lassen. Ausserdem hatte ich den Fiesta zu Schrott gefahren und Norbert suchte nach einem neuen (gebrauchten) fahrbaren Untersatz, der stark genug war, meinen inzwischen angesammelten Haus(bzw. Wohnwagen)stand nach Deutschland zu ziehen.
Die Katze Emma hat uns übrigens begleitet, sie sass während der Fahrt im Wohnwagen am grossen Bugfenster, ihr auf- und abwippendes Köpfchen war vom Auto aus zu sehen. Nachdem sie einige Zeit in einem Bretterverschlag unter der Treppe der Tiefgarage im Studentendorf gehaust hatte - in den Zimmern waren Haustiere verboten - wurde sie von der Mutter einer Kommilitonin adoptiert und fand ein richtiges Zuhause.
Das Leben auf dem Campingplatz hat Norbert gut gefallen; er hätte sich eine solche Zukunft auch vorstellen können. Ich dagegen war eher skeptisch, was die Vereinbarkeit von Arbeit auf dem Campingplatz und Familienleben angeht - wenn die Kinder schulfrei haben fällt bei den Eltern die meiste Arbeit an. Jedenfalls setzte Norbert nun erst einmal sein Studium der evangelischen Theologie fort und die 'Camping-Idee' wurde vorläufig unter der Kategorie: 'vielleicht machen wir das ja später doch mal' abgelegt. Im Laufe der Zeit stellte sich dann heraus, dass die Kirche - ausgehend von einem Pfarrermangel - nun weit über den Bedarf bzw. den finanziellen Spielraum hinaus Pfarramtsbewerber ausgebildet hatte. Insbesondere für ältere Studenten wie Norbert, der als 'Spätberufener' das Studium erst nach einem Abitur über den zweiten Bildungsweg begonnen hatte, wurden statt einer Festanstellung nur noch kurzfristige Zeitverträge in Aussicht gestellt. Die Kirche sei schliesslich ein Unternehmen und müsse wirtschaftlich denken; Lebenserfahrung sei zwar wünschenswert, ein jüngerer Bewerber dagegen, finanziell betrachtet, wesentlich vorteilhafter.
Da wir vorhatten, eine Familie zu gründen, konnten auch wir nicht ganz auf wirtschaftliche Überlegungen verzichten und so stellte sich für uns die Frage, ob der Schritt in die Selbständigkeit nicht vielleicht die weniger unsichere Alternative war. Wir begannen, nach einem geeigneten Objekt Ausschau zu halten.
Zunächst wandten wir uns an die Agentur, die meinem Bruder schon erfolgreich zu einen Platz verholfen hatte. Ihren Sitz hatte sie in Vias am Mittelmeer und der Chef erinnerte sich noch an meine Eltern. Er liess es sich nicht nehmen, uns selbst in seinem alten Mercedes die Gegend - und die von ihm verkauften Villen und Geschäfte - zu zeigen. Immer wenn er Bekannte sah, stellte er uns vor: 'Eine deutsche Familie, denen ich einen Campingplatz vermittelt habe, jetzt kaufen sie schon den nächsten'. Wir kamen uns vor wie Grossinvestoren für eine Campingkette; was für ein Aufstieg für arme Studenten mit unsicherer Zukunftsperspektive, die sich ihren Lebensunterhalt durch Ferien- und Aushilfsjobs finanzierten. Eine andere Agentur dagegen erklärte uns eher für grössenwahnsinnig, ein solches Projekt mit so wenig Eigenkapital in Angriff nehmen zu wollen...

Sonntag, 9. Mai 2010

Die Vorgeschichte Teil 2: Einige eher unangenehme Erlebnisse

Manche Erfahrungen gehören in die Kategorie: ’Durch Schaden wird man klug’. So wurden wir eines Tages von der Polizei angerufen, wir sollten eine Dame an der Kasse eines Supermarkts auslösen die angeblich in unserem Auftrag mit Falschgeld bezahlen wollte. Die Dame war Jeanne (Name geändert), die wir von den Vorbesitzern ‘übernommen’ hatten und die das ganze Jahr in einem Wohnwagen auf dem Platz lebte; sie half beim Putzen und in der Küche aus. Wir hatten sie mit einem 500 Franc-Schein (etwa 125 €) zum Einkaufen geschickt, den die Kassiererin bei der Überprüfung als Falschgeld identifizierte. Da ein so grosser Schein eher die Ausnahme in unserer Kasse war, konnten wir uns noch genau an den Kunden erinnern der damit bezahlt hatte und der Polizei sogar den Namen des jungen Mannes nennen. Das Falschgeld wurde eingezogen und man klärte uns genau über die Unterscheidungsmerkmale der echten und falschen Scheine auf. Die falschen 500er gäbe es auf dem Schwarzmarkt für 250 Francs und wenn man sie jemandem unterschieben könne - etwa so unerfahrenen Ausländern wie uns - habe man immer noch ein gutes Geschäft gemacht. Den erfolgreichen Betrüger haben wir Monate später wieder getroffen. Mit der Geschichte konfrontiert, fiel er aus allen Wolken - die Polizei hatte sich nie bei ihm gemeldet.
Eine andere Episode lehrte uns, dass man bei Langzeitgästen - insbesondere wenn sie in offensichtlichen Geldschwierigkeiten stecken - entweder auf Vorkasse besteht oder zumindest auf Zwischenabrechnungen, z.B. wochenweise. Wir erhielten einen Anruf von einem arbeitslosen jungen Pärchen mit Klappwohnwagen aber ohne Auto, das eine Bleibe suchte. Rüdiger holte den Anhänger auf den Platz und die beiden richteten für die nächsten Monate bei uns ein. Nach einiger Zeit erlag die junge Frau dem Charme (oder dem Geld?) eines älteren Nachbarn, der immer in unsere Bar zum Trinken kam und zog aus dem Wohnwagen ins Nachbarhaus. Als die beiden Kontrahenten am nächsten Tag in der Bar zusammentrafen, konnten mein Vater und mein Bruder sie gerade noch rechtzeitig festhalten, während sie - der eine mit einem Messer, der andere mit einem Gewehr bewaffnet - aufeinander losstürmten. Kurz darauf verschwand der junge Mann spurlos mitsamt Klapphänger ohne die Rechnung zu bezahlen.Auch seine Verflossene hielt es nicht lange bei ihrer neuen Liebe aus.
Der Nachbar hat seine Betörungskünste übrigens auch bei mir versucht, als schon mit Norbert verlobt war und kurz vor der Abreise nach Deutschland stand. Mit unbestechlicher Logik legte er mir dar, wieviel ich davon profitieren könne, wenn ich zunächst ihn heiraten würde. Da er eh schon alt sei und nicht mehr so lange zu leben habe, könne ich schon in absehbarer Zeit mit Norbert in das dann geerbte Haus ziehen....
Ein besonders heikles und schwieriges Thema ist der Umgang mit fahrenden Händlern und Zigeunern. Eigentlich können sie in allen grösseren Gemeinden auf extra dafür vorgesehenem Gelände kampieren; viele lehnen dies jedoch ab mit dem Argument, dadurch würden sie - Touristen gegenüber - als Menschen zweiter Klasse behandelt. Das ist natürlich verständlich und in gewisser Weise berechtigt, doch der Haken an der Sache ist: sie verhalten sich nicht wie Touristen. Kaum auf dem Gelände, werden die Wohnwagen in einer Art Wagenburg aufgestellt, in der Mitte die Waschmaschinen und Wäscheleinen. Bei diesem Anblick machen die meisten Touristen kehrt. Doch der Verdienstausfall und Imageverlust ist noch nicht das Schlimmste. Nur wer es selbst erlebt hat, wie bei Unstimmigkeiten die Gruppe unter wüsten Beschimpfungen abgezogen ist und mit der Drohung man käme bald mit Verstärkung zurück und würde uns nachts abstechen und alles kurz und klein schlagen - ich habe wochenlang unruhig geschlafen - ,der kann die Panik nachempfinden, die mich jedesmal beschlich, wenn ich eine lange Wohnwagenkolonne in der Zufahrt auftauchen sah. Viele Campingplatzbesitzer haben Schilder aufgestellt, dass sie keine Zigeuner und Händler akzeptieren. Das ist jedoch verboten, denn es stellt eine Diskriminierung dar und die Antidiskriminierungsbehörde wacht darüber. Als Alternative dazu sieht man häufig Verbotsschilder ‘aus technischen Gründen’ für Doppelachser-Wohnwagen, die von Händlern und Zigeunern wegen ihrer Grösse und Stabilität bevorzugt werden. Das trifft natürlich auch Touristen und wir erfahren immer wieder von Doppelachser fahrenden Gästen dass man ihnen fast überall mit Argwohn begegnet oder sie sogar zurückweist, besonders, wenn das Zugfahrzeug auch noch ein geschlossener Lieferwagen ist.
Als die erste Saison zu Ende ging, beschlossen Rüdiger und ich, dass während der ‘flauen Jahreszeit’ einer von uns genüge, um das Geschäft weiterzuführen, wir uns also jeder nach der anstrengenden Saison abwechselnd je 2 bis 3 Monate frei nehmen könnten. Da mir so langsam doch die Bücher und die Uniathmosphäre zu fehlen begannen, beschloss ich, meinen ‘Urlaub’ in Tübingen zu verbringen.

Dienstag, 4. Mai 2010

Vorgeschichte Teil 1: Wie die Idee entstand und erste Erfahrungen

Zwar war ich immer schon Frankreichfan - durch zahlreiche Campingurlaube als Kind mit meinen Eltern und einem Aufenthalt in einer französischen Familie - dennoch wäre es mir nicht einfach so in den Sinn gekommen, hier einen Campingplatz zu betreiben. Als mein Bruder Rüdiger sich Mitte der 80er Jahre mit einer eigenen Kneipe selbständig machen wollte, erklärte ihm mein Vater rundheraus: 'Wenn Du mit meiner Unterstützung rechnen willst, dann kommt nur eine Kneipe mit einem Campingplatz (möglichst in Frankreich) in Frage, alles andere ist mir zu unsicher und unsolide.' Mit Hilfe der damals einzigen auf Campingplätze spezialisierten Immobilienagentur war schnell ein Platz ausgewählt - aus einem gerade mal 2 Plätze umfassenden Angebot (Einzelheiten zu unserer eigenen Suche mehr als 10 Jahre später folgen im nächsten Teil). Eine Bürgschaft meiner Eltern bei einer deutschen Bank regelte das Finanzielle. In Frankreich ist es schwierig, einen grösseren Kredit auf einen Campingplatz zu bekommen, da das Land selbst zu billig ist, um einen ausreichenden Gegenwert als Sicherheitsleistung darzustellen, und die Geschäftsrechte sind nicht sicher genug, um beliehen werden zu können. Ausserdem wird der Rückzahlungszeitraum sehr kurz (maximal 10 Jahre) angesetzt. Die monatlichen Raten sind daher entsprechend hoch, was zum Problem werden kann, insbesondere am Anfang, wenn das Geschäft noch nicht so richtig läuft (und meist werden Plätze zum Verkauf angeboten eben weil sie nicht gut laufen) und Investitionen erforderlich sind.
Während dieser Zeit steckte ich gerade in den Abschlussprüfungen für mein Studium (Germanistik, Indologie und Sinologie) in Tübingen und hatte zunehmend das Gefühl, in der nächsten Zeit keine Bücher, Schreibtische oder enge Büros mehr sehen zu können. Die Perspektive, in der freien Natur mit entspannten Urlaubern zu arbeiten, erschien mir immer verlockender, besonders wenn meine Eltern die Zukunftspläne diskutierten oder als meine Mutter ein Bild entwarf: mit dem Strickzeug in der Hand im Sessel an der Rezeption die Gäste erwarten, in der einen Ecke ein Hundekörbchen, in der anderen ein Katzenkörbchen... Mein Angebot, nach den Prüfungen für einige Zeit mitzuarbeiten wurde gerne angenommen, auch weil meine Eltern nur wenig, Rüdiger fast gar kein Französisch sprach.
Wenn wir heute von Campern hören: 'So schön möchte ich es auch mal haben, den ganzen Tag Urlaub, ab und zu mal ein paar Gäste anmelden...', dann denke ich oft an meine ersten romantischen Vorstellungen zurück. Einen Hund haben wir schon bald bekommen, nur lag der nicht an der Anmeldung im Körbchen; das machte aber fast gar nichts, denn zum Stricken hatte ich sowieso keine Zeit. Die Schäferhündin 'Ange' (dt. 'Engel') - als Wachhund für den Campingplatz eigentlich viel zu sanft - war von Christian, einem französischen Bekannten, der sie angebunden auf einem Autobahnparkplatz gefunden hatte. Sie hatte die unangenehme Angewohnheit, vor allem nachts auf Streifzüge zu gehen und war ausserdem 'Schuhfetischistin'. Nachdem Christian eine grosse Sammlung einzelner Schuhe und Ärger mit sämtlichen Nachbarn hatte, überliess er sie uns. An eine Katze - die übrigens auch nicht im Körbchen schlief - kam ich durch einen Spaziergang mit einem Gästehund. Als ich mit dem Cockerspaniel an einem einsam gelegenen kleinen Hauses vorbeiging, rannte er plötzlich hinter einem freilaufenden Huhn her und ich hinter beiden, in Sorge um das Leben des Huhns. Dieses hätte wohl auch ohne mein Eingreifen überlebt; den eigentlichen Schaden habe ich angerichtet, denn die Jagd ging quer durch das Salatbeet. Der Bewohner sah genau so aus, wie man sich einen Einsiedler vorstellt, mit wildem Vollbart; meine Eltern sprachen später von ihm nur noch als dem 'Waldschrat', seinen wirklichen Namen habe ich vergessen. Er war sehr nett und lud mich gleich zu sich ein. Mit einigen Schwierigkeiten trieb er zwei saubere Gläser auf, der Korkenzieher fand sich nach längerem Suchen im Kühlschrank. Auch er hatte einen Hund 'Marquise' genannt (der Cockerspaniel hiess übrigens 'Princess' und sein Besitzer Jaques war ein wohnungsloser Rentner, der das ganze Jahr über im Wohnwagen lebte und genauso wenig Bezug zur Adelswelt mit Prinzessinnen und Herzoginnen hatte wie der 'Waldschrat' - Wunschdenken?). Ein schmutzig-grauer Kater hiess 'Blanco' zur Erinnerung daran dass sein Fell einmal weiss war, bevor er sich den Kamin als Lieblingsplatz auserwählt hatte. Es gab noch eine trächtige Katze 'Misere'; aus diesem Wurf stammte das - von mir vergleichsweise phantasielos 'Emma' getaufte - Kätzchen. Über den 'Waldschrat' erzählte man sich in der Gegend, er sei so tierlieb, dass er es nicht über sich brachte, ein zum Mästen angeschafftes Schwein zu schlachten. Stattdessen lebte es mit ihm und den übrigen Tieren im Haus. Während einer Abwesenheit des Hausherren haben es nun Schwein und Hund mit vereinten Kräften irgendwie (vielleicht nach dem Vorbild der Bremer Stadtmusikanten?) geschafft, die von der Decke baumelnden Würste und Schinken herunterzuziehen und machten sich dann darüber her.
Spaziergänge wie dieser blieben allerdings eher eine Ausnahme, denn es gab sehr viel zu tun. Die Waschräume waren in einem desolaten Zustand und hoffnungslos veraltet. Die 'Wirtschaftsräume', aus denen einmal eine gemütliche Kneipe werden sollte, waren eher eine Baracke, ein Bretterverschlag, die Ritzen mit Zeitungspapier ausgestopft. Die 'schattenlose Wiese' (Zitat Campingführer) musste bepflanzt und eine Platzeinteilung erstellt werden. Mit dem Näherkommen der Saison fiel auch immer mehr Arbeit in der Küche an. Zum Schälen der Kartoffeln für die Pommes Frites gab es übrigens eine Rüttelmaschine mit Innenwänden rauh wie Schmirgelpapier - mein Vater sagte, genau dasselbe Gerät habe er schon als Kriegsgefangener während des zweiten Weltkriegs in der Lagerküche benutzt. Die Arbeit in der Küche endete selten vor halb zwölf Uhr, danach nahm ich meistens ein mitternächtliches Bad im kleinen See und sah mir dann noch ein oder zwei Folgen alter amerikanischer Serien (z.B. Flamingo Road oder Jessica Fletcher) auf Französisch an, die im 5. Fernsehprogramm zu so später Stunde in einer einer Endlosschleife wiederholt wurden. Morgens früh ging es dann weiter mit Frühstücksvorbereitungen...

Samstag, 1. Mai 2010

Ankunft - Die kleine Kirche



Es ist jetzt schon über zehn Jahre her, doch die Erinnerung daran ist noch so frisch, als wäre es erst gestern gewesen, dass wir mit zwei kleinen Kindern im vollgepackten Auto und noch voller gepacktem Wohnwagen über die französischen Landstrassen schaukelten. Als wir in der schon weit fortgeschrittenen Dämmerung von der Nationalstrasse 7 auf die kleine D 32 einbiegen, sehen wir schon aus der Ferne die von Scheinwerfern angestrahlte Kirche von Châtel-de-Neuvre. Auf einem Hügel liegend scheint sie in der Dunkelheit direkt über unserem neuen Zuhause zu schweben - wie ein Schutzschild und ein Zeichen der Hoffnung. Ein gutes Omen? Ich wollte das nur zu gerne glauben, denn es ist schon ein seltsam mulmiges Gefühl, alle Brücken hinter sich abzubrechen und sich auf eine ungewisse Zukunft einzulassen, von der man nur eines sicher weiss - dass sie viel Arbeit mit sich bringen wird. Werden wir Zeit und Gelegenheit finden, die in Deutschland zurückgelassenen Freunde und Familie wiederzusehen - wann und ob überhaupt? Was ist, wenn es nicht klappt und wir das ganze Unternehmen in den Sand setzen - schliesslich muss ein grosser Teil der Existenzgründer bereits innerhalb der ersten beiden Jahre aufgeben. Zwar übernehmen wir einen bereits bestehenden Platz, der ist aber auf dem absteigenden Ast. Ausserdem haben wir uns verschuldet, tragen die Verantwortung für eine Familie und werden - falls wir scheitern - endgültig zu alt sein für den Arbeitsmarkt.
Inzwischen ist viel geschehen. Wir sind hier heimisch geworden und haben einige Höhen und Tiefen durchlebt - ganz wie die angestrahlte Kirche. Sie hat mir immer eine gewisse Geborgenheit vermittelt, wenn ich abends zu ihr hochsah. Daher hat es mich um so mehr getroffen, als die kleine Gemeinde nach wiederholten Akten von Vandalismus feststellte, dass eine weitere Erneuerung der grossen Scheinwerfer ihr Budget sprengen würde. Nach einer 'Zeit der Dunkelheit' strahlt die Kirche nun wieder durch kleinere, in den Fenstern 'vandalensicher' montierten Scheinwerfern. Das sieht zwar auch nicht schlecht aus, aber der Effekt ist nicht mehr ganz derselbe...